Ich habe funktioniert – und erst später gemerkt, was das mit mir gemacht hat.
- Sonja Grammel
- vor 11 Stunden
- 2 Min. Lesezeit

Ich schreibe diesen Text nicht über jemand anderen.
Ich schreibe ihn über mich.
Denn wenn ich ehrlich bin: Ich weiß ziemlich genau, wie es sich anfühlt, zu funktionieren – ohne zu fühlen.
Ich hatte zwei Jobs.
Einen, der mir Sicherheit gab – und meine Praxis, die mein Herz war.
Ich bin morgens los, habe durchgezogen, war nachmittags in der Praxis, habe Menschen begleitet, zugehört, getragen.
Und ich habe das alles geschafft.
Ich dachte, es geht nicht anders.
Ich dachte, das muss so sein.
Ich glaubte, dass das eine nicht reicht.
Ich hatte Verpflichtungen.
Ich habe nicht gemerkt, was es mich kostet.
Ich habe nicht gemerkt, dass ich dabei war, mich selbst zu verlieren.
Irgendwann habe ich entschieden, aus dem doppelten Arbeiten auszusteigen – auch wenn ich lange gezögert habe.
Und jetzt, neun Monate später, merke ich erst, was das alles mit mir gemacht hat.
Erst jetzt merke ich, wie wenig Raum da war.
Zum Atmen. Zum Spüren. Zum Sein.
Ich habe so viel nicht wahrgenommen.
Nicht, weil ich es verdrängt habe – sondern weil es schlicht keinen Platz hatte.
Es war abgeschaltet.
Mein System hat nur noch das gemacht, was funktionieren musste.
Und jetzt – erst jetzt – spüre ich:
Ich kann wieder wahrnehmen.
Zu mir.
Zu dem, was ich lange nicht gespürt habe.
Zu dem, was wieder wichtig werden darf.
Ich habe funktioniert.
Aber ich war nicht wirklich da.
Ich sehe das nicht nur bei mir.
Ich sehe es bei vielen Menschen, die zu mir kommen.
Eltern, die alles geben – und sich selbst dabei verlieren.
Erwachsene, die stark sind – aber innen leer.
Kinder, die früh gelernt haben: Wenn ich mich zusammenreiße, gibt es keinen Ärger.
Ich habe das damals gar nicht gemerkt.
Weil keine Zeit da war. Kein Raum. Kein Atem.
Weil ich schlicht nicht mehr in Kontakt mit mir war.
Heute ist es mir möglich anders zu denken.
Es war nicht meine Existenz, die in Gefahr war.
Es war mein Vertrauen.
Mein Mut.
Mein Gefühl, dass es auch anders gehen darf.
Vielleicht liest du das gerade – und fühlst nichts.
Oder du fühlst zu viel.
Oder du weißt gar nicht, wo du anfangen sollst.
Vielleicht lebst du in einer Situation, die sich kaum noch tragen lässt.
Du glaubst, es muss so sein.
Weil der Alltag es so vorgibt.
Weil Verantwortung da ist.
Weil keiner sagt: Du darfst etwas verändern. auch wenn es nicht einfach ist.
Nichts ändert sich, wenn du bleibst, wo du bist.
Mehr braucht es für heute nicht
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