Warum wir bei seelischem Schmerz immer noch schweigen
- Sonja Grammel
- 11. Okt.
- 2 Min. Lesezeit

Gestern war Welttag der psychischen Gesundheit.
Und heute sitze ich hier, mit diesem Gedanken, der nicht loslässt:
Wie viele Menschen zu mir kommen und sagen:„Niemand weiß, dass ich hier bin.“
Das erschreckt mich jedes Mal aufs Neue.
Wir leben in einer Zeit, in der fast alles geteilt wird. Essen, Reisen, Erfolge, Fitness.
Aber wenn jemand Angst hat, Panik erlebt oder in eine Depression rutscht, dann wird es still.
Dann beginnt das Verbergen.
Das Funktionieren.
Das Alleinsein.
Dabei ist es so absurd:
Wenn ich mir den Fuß breche, trage ich den Gips ganz selbstverständlich.
Niemand würde auf die Idee kommen, das zu verstecken.
Aber wenn ich innerlich kaum noch laufen kann, dann tue ich so, als wäre alles gut.
Warum ist das so?
Warum ist es immer noch so schwer, offen über seelische Gesundheit zu sprechen?
Vielleicht, weil wir gelernt haben, stark zu sein.
Weil wir glauben, Schwäche würde uns angreifbar machen.
Weil wir Angst haben, bewertet zu werden – als labil, empfindlich oder kompliziert.
Oder und das höre ich oft zwischen den Zeilen, weil viele immer noch denken:„Dann bin ich ja verrückt.“
Dieser Satz ist alt, aber er wirkt noch immer.
Er hält Menschen davon ab, Hilfe zu holen.
Weil in unserer Gesellschaft psychische Erkrankungen lange mit „verrückt sein“ gleichgesetzt wurden.
Mit dem Gefühl, nicht mehr normal zu sein.
Mit Scham.
Doch eine Depression ist keine Charakterschwäche.
Eine Angststörung ist keine Einbildung.
Eine Panikattacke ist kein Zeichen mangelnder Willenskraft.
Es ist der Körper, die Seele, das ganze System, das ruft: Etwas stimmt nicht mehr.
Ich glaube, es ist Zeit, dass sich das ändert.
Dass wir anfangen, über das zu sprechen, was uns innerlich bewegt.
Nicht nur an einem Aktionstag, sondern jeden Tag.
Denn du bist nicht verkehrt, wenn du Angst hast, traurig bist oder nicht mehr weiterweißt.
Du bist ein Mensch, der etwas erlebt hat, das zu viel war.
Und manchmal ist es genau das, was Stärke bedeutet: sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht.
Nicht alles mit sich allein auszumachen.
Sich jemanden zu suchen, der mit hinschaut.
Heilung beginnt nicht da, wo du alles allein schaffst, sondern da, wo du ehrlich wirst – mit dir.





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