
Warum ist weinen wichtig? Die würde der Traurigkeit
- Sonja Grammel
- 17. Sept.
- 2 Min. Lesezeit
Traurigkeit gehört zum Menschsein. Und ich glaube, dass wir sie manchmal brauchen um uns Dinge klarzumachen, Entscheidungen zu treffen oder etwas zu verändern. Genau deshalb ist es wichtig, Traurigkeit spüren zu dürfen.
Wenn wir sie jedoch sofort wegdrücken oder jemandem abnehmen wollen, unterbrechen wir diesen Prozess. Wir nehmen uns die Chance, wirklich zu fühlen, zu verstehen und daraus neue Schritte abzuleiten.
Traurigkeit hat ihre eigene Würde. Sie ist kein Fehler, sondern ein Weg.
Warum wir Tränen so schnell wegmachen wollen
Wenn jemand weint, ist unser erster Impuls oft: trösten, beruhigen, aufheitern. Nicht, weil wir kalt wären, sondern weil es uns schwerfällt, den Schmerz des anderen mitzuerleben. Besonders bei Menschen, die uns nahe stehen, fühlen wir das Weinen fast wie unseren eigenen Schmerz.
Genau das macht es so schwer, einfach dazubleiben und nichts zu tun. Doch manchmal ist genau das das Heilsame: den Raum halten, bis die Tränen leichter werden.
Traurigkeit als Heilung
Weinen ist kein Bruch, sondern ein Prozess: fühlen – verstehen – loslassen – klarer sehen.
Auch in der Therapie zeigt sich das immer wieder: Manchmal führt kein Weg daran vorbei, noch einmal durch den Schmerz zu gehen. Nur so kann er verstanden und gelöst werden. Tränen sind dabei nicht das Ende, sondern der Anfang – eine Bewegung, die etwas in Fluss bringt, was vorher feststeckte.
Auf den Körper achten – und auf die Seele hören
Heute achten viele Menschen auf ihren Körper: Ernährung, Bewegung, Schlaf. Das ist wichtig und gesellschaftlich anerkannt. Gefühle ernst zu nehmen, wirkt dagegen oft weniger selbstverständlich.
Doch Gefühle sind mehr als körperliche Reaktionen. Sie sind die Sprache der Seele. Traurigkeit zeigt uns, wo etwas fehlt, wo eine Wunde noch berührt oder wo ein neuer Weg wartet. Sie ist eine Einladung, genau hinzuschauen – statt wegzuschieben.
Eigene Antworten finden
Wenn wir andere trösten wollen, greifen wir schnell nach Lösungen. Wir suchen nach Wegen, die Traurigkeit zu beenden und geben dem anderen damit unsere Antworten.
Doch jeder Mensch muss in seiner Traurigkeit seine eigene Antwort finden. Wir können Halt geben, da sein, begleiten. Aber den Weg kann niemand für den anderen gehen. Darin liegt die eigentliche Würde: dass jeder das Recht hat, seinen Schmerz in seinem eigenen Tempo zu durchleben.
Ein persönlicher Gedanke
Ich merke selbst, wie schwer es mir fällt, Traurigkeit bei Menschen auszuhalten, die mir sehr nah sind. Mein erster Wunsch ist dann: „Bitte sei wieder glücklich.“
Dieses Mitfühlen ist menschlich. Gleichzeitig weiß ich, dass es manchmal besser ist, die Traurigkeit nicht sofort zu nehmen. Sie kann Klarheit bringen, Entscheidungen öffnen, innerlich freier machen. Manchmal ist es das größte Geschenk, nicht zu reparieren, sondern einfach da zu sein.
Schlussgedanke
Traurigkeit hat Würde. Sie ist keine Schwäche, sondern eine Stimme, die gehört werden will. Wer sie achtet, gibt sich selbst oder einem anderen die Chance, wirklich zu heilen.
Vielleicht ist das der Perspektivwechsel, den wir brauchen: Nicht Tränen wegmachen, sondern Raum für sie lassen. Denn genau dort,
kann Neues beginnen.
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