Der Schmerz von damals bestimmt dein Leben heute – auch wenn du ihn tief vergraben hast
- Sonja Grammel
- 29. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Apr.
Auch schwere Erfahrungen müssen nicht dein ganzes Leben bestimmen.
In meiner Arbeit begegne ich immer wieder einem Thema, das tief berührt:
Verletzungen aus der Kindheit, der Jugend oder dem frühen Erwachsenenalter prägen oft ein ganzes Leben.
Dabei geht es nicht immer um schweres Unrecht oder bewusste Grausamkeit.
Oft sind es die fehlenden Dinge, die Spuren hinterlassen:
Liebe, Verständnis, Schutz, ein offenes Ohr – und das Gefühl, so angenommen zu sein, wie man ist.
Hinter diesen Erfahrungen stehen häufig die Lebensumstände früherer Generationen.
Eltern, die Krieg, Flucht oder Verlust erlebt haben, mussten vor allem eines: überleben.
Manche konnten emotional nicht mehr lieben oder Nähe zulassen, weil ihr eigenes Trauma zu groß war.
Das war selten böse Absicht – doch für die Kinder war es dennoch eine Katastrophe.
Diese Muster werden oft unbewusst von einer Generation zur nächsten weitergegeben.
Erst wenn jemand bewusst hinschaut und sich dem Schmerz stellt, kann diese Kette unterbrochen werden.
Heilung beginnt oft bei demjenigen, der den Mut findet, alte Geschichten nicht länger weiterzutragen.
Nur weil Eltern nicht anders konnten, wurde das Erlebte nicht weniger schmerzhaft.
Vielleicht hast auch Du gespürt, was fehlte:
Geborgenheit, Sicherheit, ein echtes Gesehenwerden.
Vielleicht wirkt dieser Schmerz bis heute in Dir nach.
Manchmal merken wir erst viel später, wie stark unsere frühen Erfahrungen unser heutiges Leben beeinflussen.
Vielleicht spürst du nur, dass etwas schwer ist oder dich immer wieder ähnliche Themen belasten – ohne genau zu wissen, warum.
Zu erkennen, dass diese Gefühle oft Teil unserer eigenen Geschichte sind, ist der erste Schritt in Richtung Heilung.
Warum Schweigen alles noch schwerer macht
In meiner Arbeit sehe ich immer wieder, wie tief dieses Schweigen in Familien verankert ist.
Oft wird nicht über Gefühle gesprochen.
Nicht darüber, was den anderen bewegt hat oder warum jemand auf eine bestimmte Weise reagiert hat.
Vieles bleibt unausgesprochen und ungelöst – manchmal über Generationen hinweg.
Manchmal eskalieren die wenigen Versuche zu reden schnell, weil niemand gelernt hat, echte Nähe und Verständnis in Worte zu fassen.
Und so bleibt vieles unter der Oberfläche – als unausgesprochene Enttäuschung, als stille Trauer oder als unterschwellige Wut.
Doch es ist nie zu spät, etwas zu verändern.
Auch wenn Gespräche mit anderen nicht möglich sind:
Du kannst für dich selbst einen Weg finden, mit dem Erlebten Frieden zu schließen.
Warum alte Wunden nicht heilen, wenn wir sie nicht innerlich abschließen
Vergebung heißt nicht, dass du vergessen musst, was war.
Vergessen funktioniert nicht – und es wäre auch nicht richtig.
Deine Geschichte gehört zu Dir.
Deine Erfahrungen haben dich geprägt, mit allem, was dazugehört.
Vergebung heißt: Du entscheidest dich, den Schmerz nicht länger Dein Leben bestimmen zu lassen.
Du erkennst an, was war – und findest trotzdem einen Weg, innerlich frei zu werden.
Es geht nicht darum, Unrecht gutzuheißen.Es geht darum, dich selbst aus der Bindung an alten Schmerz, an Wut und Enttäuschung zu lösen.
Eine kleine Geschichte über das, was wir mit uns tragen
Eine Lehrerin gab ihren Schülern die Aufgabe, eine Tüte und mehrere Kartoffeln mitzubringen.
In der Schule sollten sie für jede Verletzung, für jedes Unrecht, das sie noch nicht vergeben konnten, eine Kartoffel in die Tüte legen.
Manche Tüten waren gut gefüllt.
Von da an mussten die Schüler diese Tüte ständig bei sich tragen – überall hin.
Mit der Zeit begannen die Kartoffeln zu faulen und zu stinken.
Die Tüten wurden immer schwerer und unangenehmer.
Doch sie durften sie nicht ablegen.
So erlebten die Kinder am eigenen Leib, was es bedeutet, alte Verletzungen nicht loszulassen:
Sie werden schwer. Sie beginnen zu belasten.
Und irgendwann bestimmen sie unser ganzes Leben.
Vergebung heißt nicht, zu vergessen.
Vergebung heißt, die Last nicht länger mit sich herumzutragen.
Doch wie kannst du lernen , mit dem, was war, anders umzugehen?
Vielleicht brauchst du Zeit.
Vielleicht brauchst du Unterstützung.
Und vielleicht wirst du irgendwann sagen können:"Es war nicht okay – aber ich kann heute damit leben.
Ich kann damit umgehen.
Manchmal hilft der Blick auf die eigene Geschichte:
Zu sehen, dass die Menschen, die uns verletzt haben, oft selbst in tiefem Schmerz gefangen waren.
Nicht als Entschuldigung – sondern als Erklärung.
Manchmal ist genau das der erste Schritt, um für sich selbst ein Stück Heilung möglich zu machen.
In meiner Arbeit geht es nicht darum, dass ich etwas bewerte oder erkläre.
Es geht darum, dir Raum zu geben, damit Du selbst verstehst, was Dich geprägt hat.
Ohne Urteil.
Ohne Schönreden.
Ich begleite dich dabei, deine Geschichte klarer zu sehen – und damit anders weiterzugehen als bisher.
Loslassen – auch wenn du nie eine Aussprache hattest
Manchmal fragen mich Menschen:
Muss derjenige, der mich verletzt hat, noch leben, damit ich loslassen kann?
Die Antwort ist: Nein.es ist ein innerer Prozess.
Du musst nicht auf eine Entschuldigung, ein Gespräch oder ein Verstehen warten.
Dein innerer Frieden ist nicht abhängig davon, ob der andere noch lebt oder etwas bereut.
Er ist einzig deine Entscheidung.
Auch wenn keine Aussprache mehr möglich ist, kannst du heute wählen, deinen Weg frei von alter Last weiterzugehen.
Ich weiß von mir selber Vergebung ist ein Prozess.
Er braucht Mut.
Er braucht Zeit.
Aber glaub mir es ist möglich und es ist ein Stück Freiheit für dich und vielleicht ein bisschen Versöhnung für deine Seele.

Fang an, hab den Mut und melde dich.
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